Sonntag, 19. März 2017

Vom Leben und Treiben der Vogelwelt im Garten – Oder: Ein Horrorfilm im Katzenkino

Heute will ich aus gegebenem Anlass eine ganz andere Geschichte erzählen, die eigentlich nur indirekt mit meiner Fellbande zu tun hat, nämlich dass sie (oder zumindest teilweise) möglicherweise Zeugen eines Vorfalls geworden sind, der sogar mir die Tränen in die Augen trieb.

Allerdings – es sei mir verziehen – muss ich ein wenig weiter ausholen. Ende Oktober letzten Jahres wurde ich durch ein zauberhaftes Taubenpärchen adoptiert. Es handelt sich hierbei nicht um die gemeine Straßentaube oder um die Türkentaube, von der sich hier in meiner bunten Vogelwelt im Garten auch regelmäßig zwei Pärchen zur Fütterungszeit einfinden. Vielmehr hat ein Zuchttaubenpärchen Einzug gehalten. Um welche Rasse es sich handelt, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Ich muss zugeben, dass ich bis dato absolut null Ahnung von dieser Vogelgattung hatte. Was ich bis jetzt darüber weiß, habe ich mir in den letzten Wochen und Monaten mehr oder weniger mühsam angelesen und weitestgehend verinnerlicht.

Zu wem die beiden Täubchen (das Männchen ist braun-weiß, das Mädchen schwarz-weiß) gehören, kann nicht nachvollzogen werden, denn beiden fehlen jegliche Ringe an den kleinen Beinchen. Es gibt Vermutungen seitens meines Nachbarn, aber die lassen sich nicht mehr bestätigen, da die Zucht bereits im letzten Jahr aufgegeben wurde. Ebenfalls hatte ich einen weiteren Taubenzüchter in der Nähe angeschrieben, aber auch dies blieb ohne weitere Antwort. Nun gut, dachte ich mir, da sie sich eh als Dauergäste in meinem Garten einquartiert hatten, bleiben sie dann halt auch. Das Wildvogelfutter fand ihren Geschmack, die Erdnüsse in dem Futter waren (und sind es auch heute noch) ihr ganz persönliches Highlight. Ich gab ihnen den Namen Aramis und Eliza. Wie ich auf die Namen gekommen bin? Ich habe nicht darüber nachgedacht. Als ich sie ansah, schossen sie mir einfach in den Kopf.

Nun gingen wir jedoch der kalten Jahreszeit entgegen, ich machte mir Sorgen, wie sie wohl den Winter überstehen würden. Dank des Internets lernte ich, dass ihnen ein geschützter Platz, der an drei Seiten geschlossen ist, bereits ausreicht. Nun, das war kein Problem, denn sie hatten sich bereits auf die Mülltonnen, die in einem überdachten und von drei Seiten geschlossenen Gang stehen, niedergelassen. Genau dahinter hatte ich noch Platz, lediglich eine ungenutzte Plastikbox stand dort auf dem Boden herum. So wuchs bei mir die Idee, darauf einen kleinen Turm aus nicht mehr benötigten Kartons zu bauen. Den letzten Karton stellte ich so auf, dass sie von vorne reinfliegen oder von der Mülltonne hineinspringen konnten. Mir ist natürlich bewusst, dass dies nur eine Notlösung ist, aber zu dem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, ob sie auch tatsächlich dauerhaft bleiben werden. Vielleicht gefällt ihnen der Platz doch nicht, eventuell fliegen sie doch wieder zurück? Fragen, die sich nicht umgehend beantworten ließen. Dennoch machte ich es ihnen so gemütlich wie nur möglich. Die Seitenlaschen waren eingeklappt, wobei ich die unterste etwas höher stehen ließ und damit sie es noch etwas wärmer haben, legte ich ihnen eine herrlich dicke Lage Wochenzeitung hinein. Dies war nicht ganz uneigennützig, denn somit gestaltete sich auch die Reinigung deutlich einfacher, da ich immer nur eine oder zwei Lagen entfernen musste. Auch auf dem „Dach“ legte ich eine dicke Lage Zeitung, mit zwei Tesastreifen am Karton befestigt.

Nun hieß es warten, ob ihnen dieses neue Zuhause auch genehm war. Und ja, nach genauem Inspizieren saßen sie schon auf dem Dach und sogar drinnen. Ich durfte also meinen ersten Versuch, ein Taubenhaus zu „bauen“, als Erfolg verbuchen. Nach einigen Wochen gesellte sich noch ein schwarz-weißes Taubenmädchen dazu. Sie sah mir etwas schwach aus, erholte sich dank des Futters jedoch schnell. Auch sie fand die Behausung sehr angenehm, aber drei sind nun mal leider einer zu viel. Serafina (wie ich das Mädchen nannte) flog nach einigen Wochen gut gekräftigt weiter. Wohin, entzieht sich meiner Kenntnis. Sie war einfach nicht mehr da.

So zog der Winter ein, Aramis schleppte fleißig Ästchen ins Haus, die ich aber – unwissend, wie ich war – wieder ausräumte. Fand er nicht so lustig, denn er schleppte sie wieder hinein. Bis ich dahinter kam, dass diese nur das Häuschen gemütlicher und wärmer gestalten sollten. Immerhin stellen wir uns ja auch Möbel in die Wohnung und leben nicht in kahlen Räumen.
Selbst an den kältesten Tagen flogen sie raus, wenn ich mit dem Futter kam, und liefen mir um die Füße herum. Der große Untersetzer meines Steingutblumentopfs wurde kurzerhand als Wassertränke umfunktioniert, auf dem man sogar prima rumrutschen kann, wenn das Wasser gefroren ist. Allerdings habe ich ihnen schön brav jeden Morgen und jeden Nachmittag das Eis mit warmem Wasser wieder in normales Wasser verwandelt. Denn ohne Trinken geht es ja nun mal nicht.

Anfang Februar passierte dann etwas Unerwartetes, aber dennoch ganz Wunderbares. Aramis baute seiner Angebeteten (auch wenn sie sich so manches Mal wie die Kesselflicker um das Futter gestritten haben, im nächsten Moment schnäbelten sie aber schon wieder) ein schönes, kuscheliges Nest – nur leider nicht im Haus. Vielmehr zog er es vor, am Boden in der verbliebenen Ecke neben dem ungenutzten Plastikbehälter in rekordverdächtiger Zeit das Bett zu zaubern. Ganz eifrig wurde ein Ästchen nach dem anderen geholt und zugegebenermaßen sogar recht kunstvoll verbaut. Wo und vor allem von wem hatte er das denn nur gelernt? Mir schwante es, aber da es noch recht kalt war, dachte ich mir, dass das Vergnügen ohne Folgen ausbleiben würde, denn wie ich auch bereits wusste: Tauben legen genau zwei Eier, aber werden sie kalt, weil Mama und Papa auf Fiedel und Zwutsch sind, anstatt auf den Eiern zu sitzen, dann war es das mit dem Nachwuchs.

Nachdem das Nest fertig war und die Zustimmung von Eliza gefunden hatte, saß sie auch schon drin. Liegekomfort war prima, Ecke schön geschützt – es konnte also losgehen. Und es ging auch los. Nur wenige Tage später, an einem Freitag, war sie nicht mehr aus dem Nest zu bekommen. Hurra, das erste Ei lag im Nest und ich durfte einen ganz winzig kleinen Blick drauf werfen. Ich wusste auch inzwischen, dass Tauben genau zwei Tage später ein zweites Ei legen würden. Und siehe da, Sonntagmorgen war es passiert. Nun musste selbst Papa Aramis ran und die Eier warmhalten. Nur nahm der freundliche Herr seine Arbeit wohl noch nicht wirklich ernst, denn als ich eine Tonne wegschob, um nach ihm und seinen werdenden Nachwuchs zu schauen, ergriff er die Flucht. Also das müssen wir aber noch mal üben, dachte ich mir, denn Eliza hatte mich lediglich angegurrt, blieb aber sitzen. Mir blieb jedoch die Zeit, ganz schnell ein Foto von den zwei Eiern zu machen. Kaum die Tonne wieder zurückgeschoben, wurde Aramis von seiner Frau schimpfenderweise zurückgescheucht. Von da funktionierte es.

Ich rechnete aus, dass die Kurzen pünktlich zu Karneval Ende Februar schlüpfen müssten. Karneval war vorbei und ich sah Eliza immer noch im Nest hocken. Jetzt musste ich der Sache doch mal auf den Grund gehen. Tonne weg, in die Ecke hocken, vorsichtig mit der Hand in die Richtung der Plastikkiste und schon erhob sie sich ein Stückchen – natürlich nur unter Protest. Das Einzige, was ich sah, war etwas braun-weißes, rundliches Etwas. Ich war enttäuscht, denn dies sah aus, als wenn die Eier am Verfaulen waren. Nur fragte ich mich, ob Eier eigentlich auch im Laufe der Zeit größer werden könnten, denn irgendwie sahen sie anders aus.

Einen Tag später inspizierte ich wieder das Nest, aber dieses Mal war Eliza kooperativer. Sie erhob sich wieder und präsentierte mir voller Stolz ihren Nachwuchs: zwei süße kleine, aber noch kahle Taubenküken. Das, was ich also einen Tag vorher sah, waren gar nicht mehr die Eier, sondern schon die Kleinen. Ich war begeistert und habe sie natürlich kräftig gelobt. Zwischendurch verließ sie mal kurz das Nest und ich nutzte die Gunst der Stunde, um die Entwicklung der Kleinen wieder mittels Fotos zu dokumentieren. Ich muss zugeben, ich war mindestens genauso stolz, wie die Eltern. Immerhin haben sie ihr neues Zuhause insoweit angenommen, dass sie ihre Kinder hier bekommen haben.

Von nun an wuchs die Futtermenge enorm an. Kam ich mit dem Futterbecher nach draußen, flogen sie mir abwechselnd schon im Tiefflug über den Kopf. 10 cm tiefer und sie hätten auf meinem Kopf landen können. Körner, Erdnüsse (von nun an auch gerne die gehackte Version) und sogar Brot waren absolut gefragt. Über die Reste freuten sich gleichzeitig die Spatzen, Dohlen, Amseln, Rotkehlchen, ab und an die Möwen und natürlich die Türkentauben.

Ich schaute von nun an täglich nach dem Nachwuchs. Inzwischen waren sie etwa eine Woche alt und bereits so groß, dass Mama und Papa gleichzeitig für Futter sorgen mussten. Ich konnte meine Finger natürlich nicht stillhalten und strich den Kleinen ganz vorsichtig über den Kopf. Meine Güte, was sind kleine Küken doch warm. Die Kurzen wuchsen nicht nur im Eiltempo, sondern entwickelten jetzt auch ihr Fell. Eines war fast weiß mit einer braunen Schwanzspitze und eines fast schwarz mit einem weißen Hinterteil. Das Schwarze – ich vermute, dass es ein Mädchen war – war eine ganz ruhige Vertreterin. Sie schien die Streicheleinheiten sogar zu genießen. Das andere – wahrscheinlich ein kleiner Junge – war einerseits etwas ängstlicher, aber andererseits auch der größte Krachmacher. Fing dieser kleine Steppke das lautstarke Fiepen an, stand Mama bereits beruhigend gurrend hinter mir.

Die Eltern ließ ich inzwischen die Erdnüsse aus meiner Hand futtern, sogar das Futter wurde gerne so genommen. Die anfängliche Scheu von Mama Eliza legte sich, was sicherlich auch der Verdienst vom deutlich frecheren Papa Aramis ist.

Nachdem der Nachwuchs etwa zweieinhalb Wochen alt war, hatte ich das Gefühl, dass das Junggemüse bald mal aus dem Nest schlendern wird, um sich umzusehen. Nach meinen Informationen wurden sie jetzt nicht mehr nur mit einem durchgeweichten Körnerbrei gefüttert, sondern befanden sich schon in der zweiten Fütterungsstufe der teilweisen Körnerfütterung. Die dritte Stufe, nämlich die vollständige Körnerfütterung, sollte in einigen Tagen beginnen. Da macht es doch Sinn, mal zu schauen, woher ihr Futter eigentlich kommt. Ich durfte sogar der Fütterung der Kleinen beiwohnen, wenn auch aus sicherem Abstand. Ich war ganz verliebt in die kleine Familie, die sich so super entwickelte. Dies ist wohl auch der Grund, dass mich das, was vor wenigen Tagen passierte, fassungslos machte.

Es war Montagmorgen, ich war schon früh wach und wirbelte erst einmal im Haus rum. Draußen schien die Sonne, es versprach, ein herrlicher Frühlingstag zu werden. Dass dieser Tag jedoch eine unglaubliche Wendung – und dies schon am Vormittag – nehmen würde, war mir da noch nicht klar. Es war etwa 10 Uhr und ich lief, wie jeden Morgen, erst nur mit meinen Gartenhandschuhen bewaffnet, nach draußen, um die Steinplatten im Garten vom Taubenunrat zu befreien. Ich entschuldigte mich noch bei den Kleinen, dass ich in der Nähe des Nestes auch mal eben die Steine mit dem Schlauch reinigen musste, aber das kannten sie ja schon. Nachdem ich fertig war, schob ich – wie jeden Morgen – die Biotonne zur Seite, krabbelte in die Ecke, und ich sah…… NIX! Das Nest war leer! Ich glaubte meinen Augen nicht. Wo waren die Kleinen denn nur? Das konnte doch noch gar nicht sein? Der ganze Garten wurde abgesucht – nichts. Waren sie unter der Tür hindurch entwischt? Ich alle Gänge abgesucht – nichts. Zur Seitenstraße gelaufen, sogar dort in die Gärten geschaut – nichts.



Das letzte Foto der Kurzen
Ich lief zurück und war ratlos. Die Eltern saßen auf der Mauer zum Nachbarn und suchten ebenfalls ihre Kleinen. Fressen? Erdnüsschen? Vergiss es! Sie nahmen fast nichts aus meiner Hand und auch nicht vom Boden. Stundenlang grübelte ich, was passiert sein könnte. Es ließ mir keine Ruhe und so ging ich am Nachmittag erneut in den Garten. Auf einmal fielen mir einige Blutflecken auf, die sich wie eine Spur von der Wasserschüssel bis Anfang in die Richtung des schützenden Nestes zog. Und da war mir klar, was passiert war. Schon seit letztem Sommer schaut immer mal Frau Sperber bei mir vorbei. Leider hatte sie es bereits zweimal geschafft, sich auch Lebendfutter zu holen, das zweite Mal ein Spatzenmännchen. Die letzten Monate waren ihre „Beutezüge“ bei mir jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Entweder waren meine Nachbarn in ihrem Garten oder ich in meinem, sodass ich sie nur hoch oben fliegen sah. An diesem Morgen jedoch war es anders und wahrscheinlich war sie nicht alleine. Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, wie es abgelaufen ist, vermutete aber, dass Eliza und Aramis es sehr wohl wussten.

Ich war mir nur sicher, dass wir auf die Rückkehr des Nachwuchses nicht mehr zu warten brauchten, und machte mich am nächsten Morgen schweren Herzens an die Räumung des Nestchens und die Eckenreinigung. Aramis und Eliza liefen selbst danach noch immer wieder in die Ecke und suchten ihre Kleinen, fraßen nur wenig und saßen ansonsten im Garten. Sie trauerten, dass es mir das Herz zerriss – und ich konnte ihnen nicht helfen. So zog es sich noch die ganze Woche hin. Inzwischen sitzen sie jedoch eng beieinander im Karton.

Heute Morgen beobachtete ich jedoch einen ersten, zarten Versuch, ein Nest zu bauen. Noch nicht wirklich ernst gemeint, aber immerhin. Aramis suchte im Beet ein Ästchen und legte es wieder ab. Daraufhin nahm Eliza diesen kleinen Ast, testete ihn auf seine Brauchbarkeit und legte ihn auf die Steinplatten. Dort lag er nun, bis Aramis wieder daran vorbeilief, ihn aufnahm und ihn in den Karton brachte. Aber auch da wurde er nur abgelegt. Ob sie nun hier wirklich ihr nächstes Nest bauen werden oder sich damit nur die Fläche auspolstern wollen – dies wird die Zeit zeigen. Sein Werben um seine Liebste nimmt allerdings ganz langsam immer mehr zu und ich denke, hier wird sich schon bald wieder „Eier-Zuwachs“ einstellen. Dies ist für mich das Zeichen, jetzt flugs eine Brutschale und noch einige Fake-Eier zu besorgen, da Täubchen relativ häufig im Jahr Eier legen können und ich somit die Geburtenrate kontrollieren kann. Allerdings habe ich beschlossen, dass sie es noch einmal mit Nachwuchs probieren dürfen.


Eliza und Aramis trauern


Habt einen schönen Tag!

Schnurrende Grüße von Eurer Chrissie und der Katzenbande.


Bildquelle: Ich

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